Erster Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Spanische Hofreitschule öffentlich zugänglich gemacht und als Institution an das Landwirtschaftsministerium angeschlossen. Graf Rudolf van der Straten verpflanzte die Reitkunst nach dem Zusammenbruch der Monarchie in die Erste Österreichische Republik. Als Erster Stallmeister unter den letzten Oberstallmeistern, Graf Ferdinand Kinsky und Fürst Nicolaus Pálffy, war er fest in der Tradition der Hofreitschule verankert. Es standen ihm außergewöhnliche Reiter wie Herold, Zrust, Polák und Lindenbauer zur Verfügung, die ihm auch treu blieben. Der damals populärste Turnierreiter Österreichs, General von Pongrácz, half ebenfalls, gemeinsam mit den Bereitern, den Fortbestand der Schule zu sichern.[18] Der letzte Hofoberbereiter Mauritius Herold setzte sich in besonderer Weise für die Spanische Reitschule ein.[19] Am 16. Dezember 1918 richtet Herold ein Memorandum über die Entstehung, Verwendung und Zukunft der Spanischen Hofreitschule an die Wiener Reitervereinigung Viribus unitis, die es am 12. Jänner 1919 an das deutschösterreichische Staatsamt für Landwirtschaft weiterleitet. Diese Zuschrift der Reitervereinigung weist auch auf den in vielen Journalen diskutierten Vorschlag, aus der Winterreitschule ein "zweites Burgtheater" zu machen, hin. Oberbereiter Herold legte am 23. April 1919 eine Denkschrift über den Ausbau und die zukünftige Gestaltung der Spanischen Hofreitschule in Wien vor. Graf van der Straten stimmte ihr im Prinzip zu, eine darin vorgeschlagene Vergrößerung und Erweiterung sah er aber skeptisch.[20] Zum ersten Mal richtet der Landesverband für Fremdenverkehr für Wien und Niederösterreich im August ein offizielles Schreiben an den Obersten Verwalter des Hofärars und an das Staatsamt für Heereswesen in Betreff der Erhaltung der Reitschule.[21] Auch Privatpersonen hatten an der Spanischen Reitschule Interesse. So steht auf dem Umschlagblatt des Aktenstückes Zl. 367 des deutschösterreichischen Staatsnotariats zu lesen:
Einbringer: Karl Geraus, Reitlehrer, Wien VI., Gumpendorferstraße 71; Gegenstand: um Pachtung der Spanischen Reitschule; Ausgangs/Eingangstag: 14.2.1919490
Die Frage der Erhaltung der Spanischen Hofreitschule wurde in dieser schwierigen Zeit viel diskutiert. Abgesandte des früheren Oberstallmeisteramtes hielten es für unmöglich, die Schule in Umfang und Qualität wie vor dem Krieg weiterzuführen, da es am notwendigen finanziellen Hintergrund fehlte und weder der junge Staat noch das Land Niederösterreich noch die Gemeinde Wien im Stande sein dürften, die entsprechenden Mittel auch langfristig bereitzustellen. Im Fall einer Privatisierung der Hofreitschule würde binnen kürzester Zeit ihr Wert verloren gehen und sie zu einem besseren Zirkus herabsinken. Doch mass man der finanziellen Absicherung der Reitschule große Bedeutung zu. Dazu sollten auch gelegentliche Reitschulproduktionen beitragen. Die polizeiliche Kommissionierung der Winterreitschule wurde am 10. Dezember 1919 für 332 Sitze vorgenommen, doch die ungünstige Jahreszeit und Bedenken verschiedener Stellen, ob sich ein größeres Publikum für die ehemals dem Hof vorbehaltenen Reitvorführungen interessieren werden, verzögerten den Entschluss, einen Termin für die erste Reitproduktion anzusetzen, um Monate. Die erste Veranstaltung dieser Art wurde schließlich als Wohltätigkeitsaktion für das damalige Hilfskomitee des Tuberkulosen-Heimes am 14. Juni 1920 durchgeführt. Die Veranstaltung brachte eine beträchtlichen Erlös, dank des Einsatzes und Vorbereitung Oberbereiters Herold. Am 22. und 25. Juni kam es zu einer Wiederholung, diesmal zu wesentlich niedrigeren Eintrittspreisen. Weitere folgten im November und Dezember 1920. Gelegentlich stellte die Spanische Hofreitschule ihre Räumlichkeiten für Sport- und Turnfeste, so am Nationalfeiertag 1919, am 12. November, zur Verfügung.[22] Oberbereiter Herold setzte sich unermüdlich für die Erhaltung der Schule ein. Er ließ eine Serie von Ansichtskarten drucken, verkaufte sie und verwendete das damit eingenommene Geld zum Erwerb der notwendigen Utensilien, z. B. von Stallbesen („Besenfonds“). Er ging daran, der Bevölkerung Sinn und Aufgabe der Institution begreiflich zu machen. Es galt, die Popularität der Hofreitschule zu erhöhen und im Hinblick auf deren wirtschaftliches Überleben Verbündete zu gewinnen. Herold versuchte sogar den Chef der Arbeiter-Zeitung, Austerlitz, zu motivieren, für die Lipizzaner Stimmung zu machen, hatte Arbeiterbildungsvereine veranlasst, sich über Sinn und Zweck der klassischen Reitkunst unterrichten zu lassen. Es kursierten Gerüchte von einem Umbau der Winterreitschule in eine Schwimmhalle oder einen Kinosaal. Personen und Gruppierungen, welche die Spanische Reitschule lediglich als "unergiebigen Staatsbetrieb" betrachteten, forderten nach 1925 deren Auflösung. Dagegen setzten sich zahlreiche Persönlichkeiten Wiens, etwa der Dichter Richard Schaukal (in seinem Feuilleton Philister über Dir, Österreich!), für den Erhalt der Schule ein.[23] Van der Straten übernahm 1921 die Leitung der Hofreitschule und konsolidierte die inneren und äußeren Verhältnisse der Reitschule. Er verstand es vor allem die "Spanische" so populär zu machen, dass sie – gestützt auf eine breite Öffentlichkeit – nicht mehr so einfach aufgegeben werden konnte. Unter dem neuen Leiter wurden – ausschließlich aus Verdienstgründen – auch die ersten Auslandstourneen veranstaltet. Diese Tourneen – nach Berlin (1925), London (1927), Den Haag (1928) und Brüssel (1932) – trugen wesentlich zur Bekanntheit und Beliebtheit der Spanischen Reitschule bei.[24]
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